- 04.12.2024 - 16:28 

Low-Code Programmieren im Enterprise

Low-Code Development Platforms (LCDPs) versprechen, die Softwareentwicklung einfacher und schneller zu machen. Sie ermöglichen es sogar Menschen ohne tiefgreifende Programmierkenntnisse, eigene Anwendungen zu erstellen. Doch was passiert, wenn solche Plattformen in grossen Unternehmen mit bereits komplexen IT-Systemen eingesetzt werden? In ihrem Research Talk untersuchte Dr. Edona Elshan von der Vrije Universiteit Amsterdam genau diese Frage und zeigte auf, wie Unternehmen Innovation und bestehende Systeme in Einklang bringen können.

Über Dr. Edona Elshan

Dr. Edona Elshan ist Assistenzprofessorin am KIN Center for Digital Innovation in Amsterdam. Sie hat Betriebswirtschaft und Informationssysteme an der Universität Zürich studiert und ihren Doktortitel an der Universität St. Gallen erworben. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Low-Code-Entwicklung, die Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz und die Abstimmung zwischen Geschäftsstrategien und IT.

Was sind Low-Code Development Platforms?

Low-Code Development Platforms sind Werkzeuge, die es ermöglichen, Softwareanwendungen mit minimalem Programmieraufwand zu erstellen. Statt Code Zeile für Zeile zu schreiben, können Entwickler und sogar Laien durch visuelle Schnittstellen und Drag-and-Drop-Funktionen Anwendungen bauen. Das spart Zeit und macht den Entwicklungsprozess agiler.

Die Herausforderung in grossen Unternehmen

In großen Unternehmen gibt es bereits umfangreiche IT-Systeme und Strukturen, oft als "Legacy-Systeme" bezeichnet. Diese Systeme sind über Jahre gewachsen und erfüllen wichtige Funktionen im täglichen Betrieb. Die Einführung von LCDPs in diese Umgebungen kann jedoch Probleme mit sich bringen:

Strategische Herausforderungen: Oft werden LCDPs für kleinere "Spaßprojekte" genutzt, wie zum Beispiel eine App, die alle Mitarbeiter um 10 Uhr zu einer Kaffeepause einlädt. Solche Projekte können zahlreich sein, aber wenn der Ersteller das Unternehmen verlässt, gibt es möglicherweise niemanden, der die Verantwortung übernimmt. Bei Anwendungen, die Kunden betreffen, können zudem Compliance-Fragen auftreten, also die Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien.

Technische Herausforderungen: Die neuen Anwendungen müssen mit den bestehenden IT-Systemen kompatibel sein. Das ist nicht immer einfach. Außerdem können Updates der LCDPs zu Veränderungen führen, die ältere Anwendungen beeinträchtigen ("Breaking Changes").

Operative Herausforderungen: Es kann zu sogenannten "Schatten-IT" kommen, wenn Abteilungen eigene Anwendungen entwickeln, ohne die IT-Abteilung einzubeziehen. Das führt zu Intransparenz, Inkonsistenzen und möglichen Sicherheitsrisiken. Interne Richtlinien allein reichen oft nicht aus, um dieses Problem zu lösen.

Die Bedeutung des Enterprise Architecture Managements

Enterprise Architecture Management (EAM) ist ein Ansatz, der darauf abzielt, die IT-Systeme eines Unternehmens mit dessen Geschäftsstrategien in Einklang zu bringen. Ziel ist es, Effizienz, Flexibilität, Transparenz und Vorhersehbarkeit zu erhöhen. Dr. Elshans Studie zeigt, dass effektives EAM entscheidend ist, um die Herausforderungen bei der Integration von LCDPs zu bewältigen.

Die Studie

Dr. Elshan führte Fallstudien in drei Unternehmen aus den Bereichen Finanzen, Gesundheit und Fertigung durch. Sie nutzte dabei interne Dokumente und Interviews, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Sie identifizierte drei Hauptkategorien von Herausforderungen:

  • Strategische Ausrichtung: Die Notwendigkeit, sicherzustellen, dass die mit LCDPs entwickelten Anwendungen den Zielen des Unternehmens entsprechen.
  • Technische Integration: Die Sicherstellung der Kompatibilität zwischen neuen Anwendungen und bestehenden Systemen.
  • Operative Governance: Die Etablierung von Richtlinien und Prozessen, um die Entwicklung und den Einsatz neuer Anwendungen zu steuern.

Lösungsansätze

Um diese Herausforderungen zu meistern, schlägt Dr. Elshan vor:

  • Flexiblere Architekturframeworks: Diese sollen es ermöglichen, neue Technologien leichter in bestehende Systeme zu integrieren.
  • Zentrale Wissensdatenbanken: Hier können Informationen über entwickelte Anwendungen, verwendete Technologien und Best Practices gespeichert werden.
  • Robustes Change Management: Veränderungsprozesse müssen aktiv gemanagt werden, um Mitarbeiter einzubeziehen und Widerstände abzubauen.

Fazit

Die Integration von Low-Code Development Platforms in großen Unternehmen bietet große Chancen, bringt aber auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Es ist wichtig, strategische, technische und operative Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Durch effektives Enterprise Architecture Management und gezielte Maßnahmen können Unternehmen die Vorteile von LCDPs nutzen, ohne die Stabilität und Sicherheit ihrer bestehenden Systeme zu gefährden. Dr. Edona Elshans Forschung bietet wertvolle Einblicke und praktische Lösungen für diesen Balanceakt zwischen Innovation und bewährten Systemen.

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